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Das Museum

27. Juli 2020

Es war ein warmer, unterhaltsamer Mitsommerabend gewesen und folgerichtig musste er mich an dessen Ende zu sich nachhause einladen. Er wolle sich ein genaueres Bild von mir machen, hauchten mir seine Lippen als Begründung ins Ohr, bevor sie mich in ihrem Rückzug zärtlich auf die Wange küssten, um zu unterstreichen, wie schwer er sich von einer ablehnenden Antwort erholen würde.
Das nächste Wochenende war es dann so weit und als ich bei ihm ankam, erwartete er mich bereits in seinem Heim, welches er selbst sein Museum nannte. Es war der Hort seiner Kreativität und eben deswegen erbat er, sich erst ein Bild von mir machen zu dürfen, bevor er mich durch den Rest seines Reiches führen wollte. Im Wissen, auf was ich mich einließ, willigte ich ein. So war der nächste Raum, den wir aufsuchten sein Atelier und er überließ es mir, aus seinen Requisiten ein Kleid auszusuchen, indem er mich malen durfte. So entschied ich mich für eine weiße Toga, in der ich bewusst etwas nackte Brust, und ihm erst mal noch die kalte Schulter zeigen konnte. Der Funken knisternder Erotik sollte zuallererst auf die Bilder überspringen.
Im Laufe des Nachmittags entstanden so mehrere Skizzen und eine detailliertere Zeichnung von mir, wie ich in verschiedenen Posen dem Ebenbild einer griechischen Göttin glich. Für ein größeres Gemälde von mir bräuchte er mehr Zeit, erklärte er mir, während ich hinter einer spanischen Wand die Toga aus und meine eigenen Sachen wieder anzog. Dazu müsste ich entweder länger hier bleiben, wieder kommen oder er es anhand der Skizzen und aus seinem Gedächtnis malen. Diese Alternativen würde er in absteigender Reihenfolge favorisieren, aber ein Gemälde von mir realisieren wolle er auf alle Fälle.
Wir gingen zurück ins Wohnzimmer und so manches Möbelstück, der eine oder andere Gegenstand und ein paar sicher wertvolle Gemälde passten tatsächlich gut in ein Museum. Geräumig und gemütlich war es, ohne Zweifel viel Platz, der Kreativität des Künstlers freien Raum zu lassen. In seinem Schlafzimmer, ein Stockwerk höher, sah es nicht minder üppig aus, das große Bett bot sicher Platz für vier, wie ich begründet befürchtete. Neben dem Bad gab es noch drei weitere Räume, von denen zwei die seiner beiden Mitbewohnerinnen waren und einer derzeit frei wäre. Wenn ich wollte, könne ich dort übernachten und wir nach einem Glas Wein mit meinem Gemälde weitermachen.
Ich wollte nicht, aber der neugierige Teil in mir ließ sich noch erzählen, wie das Verhältnis zu seinen „Mitbewohnerinnen“ denn wäre. Wie es sich zeigte, waren es die Frauen, die ihn beflügelten, eben, seine Musen. Es wäre dann jedoch stets unterschiedlich, meinte er, mit einigen würde er auch mal schlafen, um ein Bild zu vollenden, weil er das Gefühl hätte, er müsse jeden Zentimeter ihres Körpers mit seinen Fingerkuppen und seinen Lippen kartografieren. Eine andere wäre so schön gewesen, dass er sie nicht berühren konnte, sie musste einfach nur da sein. Einmal hatte er auch eine, bei welcher er die größte künstlerische Kraft spürte, wenn sie weg war und die Angst wuchs, sie würde nicht zurückkommen. Er zeigte mir auch sein dadurch entstandenes Werk „Weltuntergang“, welches daraus resultierte, dass besagte Dame tatsächlich nicht wieder kam.
Er gestand zu wissen, was er hier an diesem Ort genaugenommen hatte, einen Harem der Musen, aber das klang ihm zu sehr in die falsche Richtung führend, sodass er das Wort Museum als passender empfand, wenn er darüber sprach.
In beiderseitigem einvernehmen hatten wir es mittlerweile wieder bis zur Haustüre geschafft. Ich sah mir mein Gegenüber noch mal genau an und so sehr es mich reizte hier zu bleiben, so sehr mich dieser Mann reizte, so sehr wusste der Teil in mir, der nicht teilen konnte, dass dies nicht gut gehen würde. Ich wusste, dass ich auch so seine Muse sein würde und so hauchte ich ihm ins Ohr, mir auch ein Bild von ihm gemacht zu haben, küsste ihn zum Abschied zärtlich auf die Wange, drehte mich um und ging. Was ich ihm dabei verschwieg war, dass mir im Grunde nur der Rahmen nicht gefiel.