Mann_mit_Maske

Die Maskenbildnerin

24. Juli 2020

Vor vier Wochen hatte ich diese Frau kennen gelernt. Sie war in meinem Alter, also etwa Mitte zwanzig. Im Bus. Und aufgefallen war sie mir dadurch, dass sie einen eher unauffälligen Eindruck machte. Jedoch war das Interesse für meine Augen damit erst geweckt. So hab ich sie dahingehend angesprochen und sie schien einerseits ein wenig überrascht, gestand aber ein, dass es eben nicht bei jedem klappte und dass sie wohl noch weiter an der Perfektionierung arbeiten müsse. Andererseits freute sie sich über meine Aufmerksamkeit und auch darüber, dass ich sie angesprochen hatte. Was sie denn mache hatte ich sie gefragt. Sie sei Maskenbildnerin hatte sie mir entgegnet. Als wir unserer Wege gehen mussten schlug ich vor, dass wir uns beizeiten die Tage ja noch mal treffen könnten. Vielleicht am Rhein?
Und so trafen wir uns die Tage auch am Rhein – es war wohl vor drei Wochen. Was ich in den Gesichtern der Menschen sehe, fragte sie mich, als wir am Ufer entlang schlenderten. Hier? Unterschiedliches, gab ich ihr zur Antwort, hauptsächlich nachdenkliche Gesichter, auch fröhliche. Die meisten Leute die hier sind nutzen wohl ihre Freizeit dazu, und ordnen ihre Gedanken oder lassen sich gehen und genießen einfach den Augenblick. Ob ich meinte, die fröhlich aussehenden Leute wären nicht nachdenklich, fragte sie mich. Und ob wir uns für das nächste mal nicht in ein Café verabreden wollten. Ich dachte kurz nach und meinte schon fast fröhlich – ja.
Und so verabredeten wir uns für das nächste mal in ein Café – das war vor zwei Wochen. Was ich in ihrem Gesicht sehe, fragte sie mich, als wir jeder für sich eine heiße Schokolade tranken. Und was ich auf den ersten Blick sah war ein unscheinbares, zufriedenes Gesicht, das Gesicht von jemanden der ausstrahlen wollte‚ dass es ihm gut gehe und dass er keine Hilfe von anderen benötige, weil er alles hat was er braucht, Liebe, Geborgenheit, gute Freunde, Freude am Leben und so fort. Und sie lächelte kurz von Herzen, denn der Inhalt der Antwort spiegelte ihre Intention wider. Als die Zeit voranschritt fragte ich, ob wir uns wiedersehen und sie meinte ja. Und bevor ich einen Vorschlag machen konnte lud sie mich zu sich in ihre Werkstatt ein.
Und so war ich nun vor einer Woche in der Werkstatt einer Maskenbildnerin. Und ich blickte in ein melancholisches, nachdenkliches, ernstes, zweifelndes, jedoch immer noch hübsches Gesicht einer jungen Frau. Was sie mit den ganzen Masken mache – die allesamt eine Variation ihres Gesichtes darstellten – fragte ich, ob die alle für sie wären. Und sie meinte nein – für die anderen. Und sie zeigte mir eine eher fröhliche Maske. Die oder ähnliche trage sie bei Familienfeiern, Geburtstagen, Hochzeiten oder etwas derartigem erklärte sie mir. Und hier, eine eher betroffen und mitfühlend aussehende – für Beerdigungen entfernter Bekannter. Sie zeigte mir ihre ganze Galerie, denn sie hatte sich für alle unterschiedlichen Situationen, ja selbst für unterschiedliche Personen, Masken gemacht. Bevor wir uns verabschiedeten schenkte sie mir noch eine ihrer Masken, damit ich mich an sie erinnern konnte, denn zu meinem Bedauern meinte sie, wir könnten uns wohl nicht noch mal sehen. Die Maske zeigte ein melancholisches, nachdenkliches, ernstes, zweifelndes, jedoch noch immer hübsches Gesicht von ihr. Und mir wurde klar, ich durfte sie sehen, wie sie wirklich war.
Nach einer Woche verspürte ich trotz dessen, dass ich täglich ihr Bild vor Augen haben konnte, den Drang sie doch noch mal aufzusuchen. Als ich allerdings zurück zu dem Gebäude kam wo sich ihre Werkstatt befand, stand diese leer und ein Schild zeigte an, dass die Räume zu vermieten waren. Wir könnten uns wohl nicht noch mal sehen hatte sie damals zu mir gemeint.
Als ich wieder zuhause war holte ich die Maske die sie mir zum Abschied geschenkt hatte hervor, um sie einfach zu betrachten während ich an sie dachte. Als ich diese genauer in Augenschein nahm fiel mir jedoch eine leichte Veränderung ihrer Züge auf. Sie wirkte nicht mehr so zweifelnd, sondern – entschlossener.